Job-Sharing braucht Teamgeist
Sarah Sprenger ist 28 Jahre, Wirtschaftspsychologin und arbeitet seit 2011 als Forschungsberaterin bei der delta Marktforschung GmbH.
Thomas Seppelfricke ist 33 Jahre, Diplom-Psychologe und arbeitet seit Dezember 2013 als Forschungsberater bei delta Marktforschung. Zuvor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Osnabrück und promovierte zu einer interkulturellen Fragestellung, die den Stressor Arbeitsplatzunsicherheit bei Auszubildenden fokussierte. Beide teilen sich eine Stelle im Unternehmen und erzählen im Interview, wie Job-Sharing funktioniert und welche Vorteile es sowohl für Arbeitnehmer/innen als auch für das Unternehmen mit sich bringt.
Seit wann wird in Ihrem Unternehmen Job-Sharing angeboten und wie kam es dazu?
Sarah Sprenger Dieses Arbeitsmodell wird bei delta zum ersten Mal umgesetzt. Ich teile mir seit 3 Monaten eine Stelle mit meinem Kollegen, der mich während meiner vorangegangenen Elternzeit in Vollzeit vertreten hat und nun wie ich in Teilzeit arbeitet, weil auch er sein Kind in seiner Büro-freien Zeit betreut.
Thomas Seppelfricke Etwa ein Jahr vor Beginn des Job-Sharings äußerte ich den Wunsch, mit Wiederkehr meiner Kollegin aus der Elternzeit auf Teilzeit gehen zu wollen. Insofern war diese Idee schon früh in den Köpfen.
Worin liegt der Unterschied zu klassischen Teilzeitarbeitsplätzen?
Sarah Sprenger Der Unterschied liegt darin, dass mein Kollege und ich quasi als eine Person arbeiten, es arbeitet nicht jeder für sich, sondern wir sind arbeitstechnisch eins. Jeder kann zu jeder Zeit das Werk des anderen übernehmen, ist in der Abwesenheit des anderen der Ansprechpartner für dieselben Kunden. Hieraus ergibt sich ein deutlich erhöhter Abstimmungsaufwand im Vergleich zu Personen, die allein für eine Tätigkeit verantwortlich sind. In unserem Fall gilt zudem: Es wird die gesamte Arbeitswoche über das Tagesgeschäft ganztägig am Laufen gehalten, es entstehen keine Leerzeiten. Bei jemandem, der halbtags arbeitet, ist Erreichbarkeit und Fortgang im Projektverlauf nicht in der gesamten Zeit gewährleistet. Wir sind erreichbar wie eine Vollzeitkraft und Projektarbeit bleibt nicht einmal kurzfristig liegen.
Thomas Seppelfricke Die beständige Erreichbarkeit wird von den Kunden sicher dann als positiv empfunden, wenn beide Teilzeitkräfte einen guten Überblick darüber haben, wie der aktuelle Stand in den Tagesgeschäfts-relevanten Aktivitäten des jeweils anderen ist. Insofern funktioniert das Ganze auch nur dann gut, wenn die Bereitschaft da ist, sich immer wieder auf den neuesten Stand zu bringen.
Wie organisieren Sie genau Ihre Arbeit im Job-Sharing?
Sarah Sprenger Wir führen akribisch Excel-Listen mit Timings, To Dos und Informationen über Projektstände und mit Kollegen und Kunden getroffene Absprachen, sodass alle Informationen zugänglich sind. Außerdem übergeben wir in E-Mails ausführlich das Tages- bzw. Wochengeschehen. Um die Kommunikation nach außen besser steuern zu können, haben wir eine gemeinsame E-Mail-Adresse, von der aus wir mit den Kunden kommunizieren. Alle zwei Wochen haben wir einen Tag gemeinsame Büro-Zeit, die wir möglichst gemeinsam für Absprachen nutzen. Und natürlich kann es vorkommen, dass mal eine dringende Frage aufkommt, hier sind wir für den anderen auch an Büro-freien Tagen erreichbar. Gerade in meiner Einarbeitungszeit kamen immer wieder solche Situationen vor, mittlerweile ist es selten geworden. Mein Kollege checkt seine dienstlichen E-Mails auch von Zuhause aus und bekommt so an seinen Büro-freien Tagen E-Mails mit, auf die er reagiert.
Thomas Seppelfricke Kernarbeitszeit für uns beide ist die Zeit zwischen 9 und 17 Uhr. Innerhalb dieses Zeitfensters sind wir für unsere Kunden immer erreichbar. Da eine Vielzahl von Arbeitstätigkeiten außerhalb dieser Kernarbeitszeit erledigt werden kann, ist es nicht problematisch, dass wir etwas unterschiedliche Arbeitsrhythmen befolgen (meine Kollegin beginnt deutlich vor 9 Uhr, ich arbeite länger als 17 Uhr).
Was sind die Vorteile von Job-Sharing sowohl für die Arbeitnehmer/innen als auch für die Arbeitgeber?
Sarah Sprenger Die Arbeit bleibt nicht liegen und kann sehr dienstleistungs- und kundenorientiert verlaufen. Außerdem entsteht ein langfristig eingespieltes und zuverlässiges Team, an das sich Kunden und Kollegen gewöhnen können. Interne Abläufe und Absprachen können sich einspielen und effizienter werden. Innerhalb des Teams können sich die Beteiligten auch flexibel absprechen, z.B. für kurzfristige Vertretungen. Außerdem können Projektaufgaben übernommen werden, die normalerweise nur von Vollzeitkräften getätigt werden könnten (z.B. weil für den Projektablauf immer ein Ansprechpartner vor Ort sein müsste).
Thomas Seppelfricke Beide Arbeitskräfte bringen unterschiedliche Berufsbiographien in die „gemeinsame“ Stelle ein. Hieraus können Synergie-Effekte entstehen, die die berufliche Weiterentwicklung der Beteiligten begünstigen kann. Optimaler Weise gibt es eine gemeinsame Einarbeitungszeit (dies war in unserem Fall kaum möglich und ist wahrscheinlich in der Praxis auch nur selten in befriedigendem Ausmaß wirklich gegeben).
Was sollten Unternehmen beachten, wenn Sie Job-Sharing einführen möchten?
Sarah Sprenger Alle Beteiligten sollten klare und zuverlässige Absprachen treffen. Man muss sich auf den anderen verlassen können und das Unternehmen muss sich auf die job-sharenden Arbeitnehmer verlassen können.
Unablässig dafür: Die Chemie muss stimmen zwischen den Personen, die sich den Job teilen. Man muss auch füreinander arbeiten und ein gutes Team sein, sich auf Augenhöhe begegnen.
Hilfreich sind gemeinsame Vor-Ort-Zeiten und eine Aufteilung der Arbeitszeit des einzelnen am besten im Block, z.B. arbeitet der eine von Montag bis Mittwoch, der andere von Mittwoch bis Freitag. Andernfalls kommt man vor lauter Übergabe kaum zum Tagesgeschäft.
Thomas Seppelfricke Viel hängt sicher davon ab, mit welcher Einstellung die beiden Sharing-Partner ihrer Teilzeitstelle gegenüber stehen. Das Ganze funktioniert sicher dann besser, wenn die Teilzeit-Konstellation von beiden Parteien als positiv erlebt wird. Für das Projektmanagement ist es wichtig, dass beide Arbeitnehmer über ein gutes Planungs- und Organisationsverhalten verfügen und bereit sind, sich auf neue Arbeitsabläufe und -techniken einzulassen.
Was müssen die kooperierenden Mitarbeiter/innen mitbringen, um im Job-Sharing gut zusammen zu arbeiten?
Sarah Sprenger Vor allem Teamgeist. Es braucht den Willen, konstruktiv miteinander zu arbeiten und auch für einander. Ego-Trips und Machtspiele sind hinderlich. Außerdem müssen die Beteiligten diszipliniert sein bei der Einhaltung von Absprachen und der Dokumentation des Tagesgeschehens, sodass Übergaben reibungslos vonstattengehen können.
Thomas Seppelfricke Was den Sharing-Partnern klar sein muss: als Team zu funktionieren ist kein Selbstläufer und erfordert regelmäßige Selbstreflektion bzw. Reflektion des Teams. Sind diese gegeben, hat das Ganze sicher einen Mehrwert im Hinblick auf Produktivität und Optimierung der Arbeitsabläufe.
Was würden Sie sagen: Ist Job-Sharing nur für bestimmte Branchen geeignet oder auch für gewerblich-technische Berufe interessant?
Sarah Sprenger Ich glaube, dass Job-Sharing unabhängig vom Unternehmen und Branche sinnvoll und für alle Beteiligten lohnend ist.
Thomas Seppelfricke Die Entwicklung wird mutmaßlich noch stärker dahingehen, dass Teilzeitarbeit weiter zunehmen wird. Job-Sharing ist im Zuge dessen sicher ein zukunftsträchtiges Modell und Arbeitgeber sollten sich trauen, diesem Modell eine Chance zu geben. Klar ist aber auch: wenn die beiden Teilzeitkräfte gar nicht harmonieren und mehr gegeneinander als miteinander agieren, so wird dies auch auf Kundenseite schnell bemerkt werden und infolge dessen schnell zu Unzufriedenheit führen.
Ich stimme zu, dass es auch für die gewerblich-technischen Berufe ein interessantes Modell darstellen dürfte und wüsste nicht, weshalb man es nicht auch in diesen Berufen erproben sollte.
Vielen Dank für das Interview!
Über das Unternehmen
delta Marktforschung entstand 2004 aus der betrieblichen Marktforschung eines großen Verlagshauses und führt seitdem als unabhängiges Institut für renommierte Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen individuelle Forschungs- und Analyseprojekte durch. Die Projekte konzentrieren sich auf die Bereiche Medien- und Marketingforschung, wobei das komplette Methodenspektrum der qualitativen und quantitativen Forschung genutzt wird. Das Unternehmen beschäftigt acht Mitarbeiter/innen.
Kontakt
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