Mehr Erfolg durch lebensphasenorientierte Personalpolitik
Christiane Flüter-Hoffmann, © Florian Lang/IW Köln |
Christiane Flüter-Hoffmann ist Senior Researcher im Kompetenzfeld Arbeitsmarkt und Arbeitswelt beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln. Sie beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Themenfeld betriebliche Personalpoltik. Frau Flüter-Hoffmann hat zahlreiche Studien, Gutachten und anwendungsorientierte Unternehmensprojekte zu den Themen Personal- und Organisationsentwicklung, Arbeitszeitflexibilisierung, Telearbeit, Wissensmanagement, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Familienfreundlichkeit, demografischer Wandel, alternde Belegschaften, lebenszyklusorientierte Personalpolitik und Digitalisierung durchgeführt. Dazu gehört auch der PersonalKompass- Demografiemanagement mit Lebenszyklusorientierung.
Das Stichwort "Lebenszyklusorientierte Personalpolitik" ist zurzeit in aller Munde. Könnten Sie uns eine kurze Definition geben, was eigentlich genau damit gemeint ist?
Wir haben die "Lebenszyklusorientierte Personalpolitik" im Jahr 2006 als Demografiekonzept für die DekaBank in Frankfurt entwickelt, die damit 2007 den Deutschen Personalwirtschaftspreis gewann. Dadurch wurde das Konzept bundesweit bekannt. Es ist ein ganzheitliches Konzept, das die Beschäftigten in jeder Lebens- und Berufsphase bei all ihren Ereignissen wie Geburt eines Kindes oder Pflege von Angehörigen, Berufsrückkehr, Karriereneustart oder Bogenkarriere unterstützt. Das Konzept konzentriert sich einerseits sehr stark auf die individuelle Situation der Beschäftigten, es bringt aber auch den Unternehmen große Vorteile wie hohe Mitarbeiterbindung, geringere Fehlzeiten, erfolgreicher Wissenstransfer. Es ist also eine klassische Win-win-Situation – die Mitarbeiter fühlen sich sehr wohl auf ihren Arbeitsplätzen und die Unternehmen entgehen den Risiken der Demografiefalle.
Warum sollten sich alle Unternehmen –und nicht nur die "großen" um das Thema kümmern?
Gerade die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) werden in dem verschärften Wettbewerb um Fachkräfte dann das Nachsehen haben, wenn sie sich nicht auch als attraktiver Arbeitgeber und interessanter Ausbildungsbetrieb darstellen können. Es reicht längst nicht mehr aus, nur auf den guten Ruf als Maschinenbauer oder Serviceanbieter zu vertrauen. Auch das Angebot als Arbeitgeber ist von entscheidender Bedeutung – nach innen und außen, also um die Beschäftigten zu halten und neue zu gewinnen.
Welche Hausaufgaben sollte denn auch der Staat Ihrer Meinung nach endlich in Angriff nehmen?
Ein ganz großes Thema ist schon seit Jahren die unzureichende Kinderbetreuungsinfrastruktur. Trotz der gesetzlichen Vorgaben fehlen in den alten Bundesländern immer noch 150.000 U-3-Plätze. Das heißt für die Mütter, dass sie trotz ihrer guten Qualifikation immer noch ihre Erwerbstätigkeit einschränken müssen: 30 Prozent aller Mütter mit Kindern unter drei Jahren können gar nicht arbeiten, weil sie keine Betreuung für ihr Kind haben – ein arbeitsmarktpolitischer Skandal. Auch die Qualität des Bildungsangebots lässt vielfach zu wünschen übrig – in den alten wie in den neuen Bundesländern. Die Kinderbetreuung soll ja keine Verwahrstation sein, sondern die Kinder sollen hier einen guten Bildungsstart für ihr lebenslanges Lernen erhalten. Darüber hinaus kommt die Ganztagsbetreuung viel zu langsam voran: Nicht einmal ein Drittel aller Grundschulkinder geht auf eine Ganztagsschule. Hier ist der Staat also in mehrfacher Hinsicht gefordert.
Sprechen wir über die Frauen: Erfreulicherweise ist die Frauenerwerbstätigkeit in Deutschland in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich angestiegen und das "Alleinverdienermodell Vater" rückläufig. Was aber steckt noch an Feinheiten hinter den Statistiken, die noch nicht so erfreulich sind?
Ja, in der Tat: die Erwerbstätigkeit der Frauen ist stark angestiegen: 1975 war nicht einmal die Hälfte aller 15- bis 64-jährigen Frauen erwerbstätig, inzwischen sind es zwei Drittel. Allerdings arbeiten 46 Prozent aller Frauen, also fast die Hälfte, in Teilzeit – mit gravierenden Folgen für den "Gender pay gap", also den Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen und auch für den "Gender pension gap", also die Rentenlücke.
Erfreulicherweise ist das Alleinverdienermodell Vater rückläufig: 1996 waren bei Paaren mit minderjährigen Kindern in 40 Prozent der Vater der Alleinverdiener, inzwischen nur noch in 29 Prozent. Wenn man sich allerdings die 55 Prozent der Paare mit minderjährigen Kindern anschaut, in denen beide Elternteile arbeiten, so haben wir immer noch eine klassische Rollenverteilung: Der Vater arbeitet in Vollzeit, und die Mutter als Hinzuverdienerin in Teilzeit.
Wie sollten denn KMU konkret an das Thema "Lebenszyklusorientierte Personalpolitik" herangehen? Welche Instrumente gibt es? Mit welchem Aufwand ist zu rechnen? Womit sollte ein KMU anfangen?
Wir haben das Konzept der "Lebenszyklusorientierten Personalpolitik" in unserem PersonalKompass so anschaulich wie möglich und so einfach wie möglich dargestellt. Jedes Handlungsfeld beginnt mit einem Dialog und einer Checkliste, die dem Arbeitgeber helfen, mögliche Schwachstellen aufzudecken und Ansatzpunkte zu finden. Jedes Unternehmen prüft selbst, welche Handlungsfelder zuerst und mit welcher Priorität angegangen werden. Jedes Unternehmen stellt sich also maßgeschneidert sein eigenes Konzept zusammen. Insgesamt 60 Instrumente haben wir für die acht Handlungsfelder entwickelt, auch hierbei prüft jedes Unternehmen, was zu ihm passt und was nicht.
Welches sind klassische "Stolpersteine", die KMU umgehen sollten bei der Einführung und Umsetzung von "Lebenszyklusorientierter Personalpolitik"?
Grundsätzlich gilt ja bei allen Projekten: Nicht zu viel auf einmal wollen und nicht zu schnell handeln. Manche Unternehmen überfordern sich, wenn sie ihre Unternehmenskultur in drei Monaten oder ein neues Arbeitszeitmodell in vier Wochen umgesetzt haben wollen. Andererseits ist bei Veränderungsprozessen immer wichtig, auch kleinere Erfolge in der Belegschaft bekannt zu machen. Hier hilft die positive Salamitaktik: Wenn sich die Unternehmen ein großes Ziel setzen und das in kleinere Teilziele gliedern, die auch schnell solche Erfolge ermöglichen, sind sie meist auf einem guten Weg. Die Veränderung sollte von oben gewollt und von unten mitentwickelt und mitgetragen werden. Das gilt auch für die kleinen Unternehmen: Beteiligen Sie ihre Beschäftigten von vornherein. Ihre Mitarbeiter sind die Experten vor Ort.
Sie halten ja viele Vorträge zu dem Thema. Bei welchen Punkten regt sich am ehesten Widerstand oder kommen die meisten Nachfragen?
Manche Geschäftsführer von kleinen und mittleren Unternehmen sind oft erbost, wenn Mütter und Väter von der Kommune keinen Platz in einer Kindertagesstätte angeboten bekommen und lapidar als Antwort erhalten, ihr Arbeitgeber könne sich ja darum kümmern, er wolle ja auch ihre Arbeitskraft haben. Diesen Ärger kann ich gut verstehen, denn es ist ja immer noch Aufgabe von Ländern und Kommunen, die Betreuungsplätze zu schaffen. Dass Betriebe freiwillig auch ihre Beschäftigten unterstützen, darf doch nicht dazu führen, eine Verpflichtung daraus abzuleiten. Und das Thema Pflege von Angehörigen wird immer wichtiger. Manche Personalverantwortlichen haben mir schon berichtet, dass die Frage der Kinderbetreuung kaum noch käme, sondern immer mehr das Thema Pflege.
Wie sieht Ihre Zukunftsvision eines Unternehmens aus, das sich hinsichtlich des Themas vorbildlich entwickelt hat?
Nun, ein solches Unternehmen wird glänzend dastehen – es bekommt zur richtigen Zeit die richtigen Fachkräfte, die Mitarbeiter identifizieren sich mit dem Unternehmen, sind loyal und motiviert, das Betriebsklima ist gut. Das Unternehmen wird nur eine geringe Fluktuation und einen niedrigen Krankenstand haben. Es geht kaum Wissen in Rente, weil ein systematisches Wissenstransfersystem dies verhindert. Zudem sind Unternehmen mit einer lebenszyklusorientierten Personalpolitik betriebswirtschaftlich erfolgreicher als solche ohne. Das konnten wir inzwischen empirisch nachweisen.
Vielen Dank für das Interview!